letzte Änderung:
16.11.2018
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Interview mit Frau Cardinal
Interview mit Frau Cardinal
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Die Redaktion des Gesundheitsportal führte ein Interview mit Frau
Cardinal (Heilpraktikerin und Sterbeamme) über das Thema Tod und Trauer.
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Gesundheitsportal: |
Guten Tag, Frau Cardinal. Wir freuen uns sehr, dass Sie sich die Zeit
genommen haben, uns einige Fragen zu beantworten. Unsere Leser und Leserinnen
interessiert natürlich sehr, was der Begriff Sterbeamme bedeutet. Können
Sie uns den Begriff kurz erläutern?
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Frau Cardinal: |
Eine Amme ist dafür zuständig, Kinder, die von ihrer Mutter
nicht genährt werden können, zu versorgen und ihren Lebenshunger
zu stillen. In übertragenem Sinne soll das auch eine Strebamme können.
Angesichts des Sterbend, des Abschieds und der nachfolgenden Trauer ist
es der Hunger nach Trost, Hoffnung und nach Denkansätzen für offene
Fragen und Zweifel, die eine Sterbeamme versorgen soll. Sie geleitet einerseits
die Sterbenden und andererseits die Trauernden in eine neue und unbekannte
Existenz.
Nach meiner Beobachtung können die einzelnen Phasen, die sich innerhalb
eines Sterbe- und Trauerprozesses abspielen, mit den Phasen einer Geburt
verglichen werden Dabei ist die Sterbevorbreitung einer Geburtsvorbreitung
vergleichbar, das Sterben selbst als eigentliche Geburt in eine neue Dimension
und die besondere - und gleichwohl heute seltene - Aufbahrung und Begleitung
der Verstorbenen noch einige wenige Tage nach dem Sterben als „rooming-
in“ zu begreifen
Allerdings ist besonders die Phase des „Wochenbettes“ der
Trauernden in den Sterbebegleitungen meistens unberücksichtigt. Die
herausragende Arbeit der Hospize erfüllt die Frage nach Achtung und
Würde der Sterbenden durchaus, allerdings ist die Begleitung Trauernder
weder durch sie noch durch ärztliche Praxen – schon aus Kostengründen
– zu leisten. Diese Zeit nach dem Tod eines Nahestehenden stellt
Trauernde vor ungeahnte Herausforderungen. Wie ich in meinem Praxisalltag
fast täglich erlebe, sind es die Fälle der „ungeheilten
Trauer“, die oftmals nach Jahren noch in chronischen Krankheiten
enden können.
Eine Sterbeamme ist eine Person, die in der Lage ist, die einzelnen Phasen
des Abschieds begleiten zu können. Sie ist weder sprachlos angesichts
der Ängste, Sterbephasen oder der offenen Fragen, die die Sterbenden
in sich tragen, noch verstummt sie angesichts der Unsicherheit, Hemmung
und Verzweiflung der Nahestehenden in der Zeit des Abschieds und der Trauer.
Ihre Aufgabe ist es, mit durchaus unkonventionellen Ideen den Betroffenen
die Möglichkeit des Weiterdenkens ebenso zu erlauben, wie ihnen den
Mut zu machen, durch Handlungsfähigkeit aus der Falle des passiven
Entsetzens den Weg zu finden.
Dazu ist die Sterbeamme ausgebildet. Sie kennt sich ebenso in den Sichtweisen
der verschiedenen Religionen aus, wie auch in den unterschiedlichen Ansätzen
der Sterbeforschung. Ihre Aufgabe besteht darin, den friedlichen Abschied
in achtungsvoller Würde zu initiieren. Dass dieser Abschied in Frieden
für alle Betroffenen heilsam für eine mögliche Zukunft
ist, ist uns allen leicht nachvollziehbar.
Die ersten ausgebildeten Sterbeammen werden im Frühjahr 2004 ihre
Ausbildung bei mir beendet haben. Die Ausbildung findet immer an Samstagen
oder Sonntagen in Hamburg statt. Es sind relativ kleine Gruppen von 7
– 12 Personen, denn ich lege Wert darauf, dass ein geschützter
Rahmen innerhalb dieser Ausbildung gewährleistet ist. Es ist klar,
dass in dieser Zeit auch eigene Schwierigkeiten, die die Schülerinnen
mit dem Abschied und der eigenen Sterblichkeit haben, deutlich werden.
Dieses ist erwünscht und Teil der Ausbildung ist es, diese Altschmerzen
zu verwandeln. Die Erfahrung, dass das machbar ist, bringt die Sterbeammen
wiederum in die Lage, diese Verwandlungsprozesse bei Menschen, die sie
betreuen werden, in Gang zu setzen.
Meine Vision ist es, dass jedes Krankenhaus, jedes Hospiz eine Sterbeamme
zu ihrem Personal zählt.
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Gesundheitsportal: |
Betreuen Sie als Sterbeamme auch Menschen, die kurz vor dem Tode stehen?
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Frau Cardinal: |
Menschen, die eine eventuell lebensbedrohliche Diagnose tragen, haben
ihren eigenen möglichen Abschied von dieser Alltagswelt oftmals ununterbrochen
neben sich. Das ist eine große Herausforderung und das unterscheidet
sie von dem Rest der Gesellschaft, der unbedarft munter drauf los tingeln
kann und darf. Menschen die schwer erkrankt sind benötigen u.U. eine
völlig neue Sichtweise zu ihrem Leben, damit eine Gesundung für
sie überhaupt möglich ist. Gründe zu sterben gibt es viele,
Eintönigkeit, Ermüdung und Verdrossenheit sind nur ein paar davon.
Mit den Erkrankten gilt es, neue Wege, neue Chancen und neue Aussichten
denkbar werden zu lassen.
In meiner Tätigkeit als berufstätige Heilpraktikerin und Kursleiterin
arbeite ich sehr häufig mit Menschen, die schwer erkrankt sind. Es
ist dabei nicht ganz leicht, die aufgegebenen Hoffnungen, der Betroffenen
wieder neu zu wecken. Ähnlich jedoch geht es auch Trauernden, auch
sie haben Hoffnungen begraben müssen, die sie lange gehegt hatten
und auch sie sind mit einer Situation konfrontiert, die es ihnen unmöglich
macht, die Tatsache der eigenen Verwundbarkeit weiterhin zu verdrängen.
Eine Sterbeamme wird primär mit den Menschen in Kontakt kommen,
deren Leben konkret zuende gehen wird, bzw. dann später mit den Nahestehenden,
die die Wege der Trauer durchlaufen müssen. In dieser Arbeit wird
die Sterbamme mit denen die sich in der Trauer befinden, ähnliche
Arbeit vollbringen müssen, wie mit Menschen, die eine schwere Erkrankung
haben.
Eine Sterbamme arbeitet selbstverständlich auch mit denen, die kurz
vor dem Tode stehen. Auch hier kann es für die Betreffenden heilsam
sein, dass ihnen ein Weiterdenken ermöglicht wird, ohne dass sie
konfessionell oder in irgendeiner Weise dogmatisch in eine Richtung gedrängt
werden. Ich habe erlebt, dass die körperlichen Schmerzen von Sterbenden
umso größer waren, je größer ihre Zweifel an einem
möglichen Sinn des Lebens waren oder je mehr nagende und scheinbar
unbeantwortbare Fragen sie in sich trugen. Die Aufgabe der Sterbeamme
ist es, Ängste und Zweifel, die Menschen in sich tragen, offen und
deutlich hervorzuholen, anstatt noch irgendeine Form von Tabu oder Benimm
im Vordergrund zu lassen.
Das gilt natürlich für die Zeit vor dem Tod, in der Gespräche
möglich und/ oder erwünscht sind. Eine Sterbeamme ist jedoch
auch deshalb für die Möglichkeit eines friedlichen Abschieds
zuständig, da sie die oftmals unverständliche Ausdrucksweise
der Sterbenden zu übersetzen vermag. Hier ist die sogenannte Bildersprache
der Betroffenen gemeint, die wir allzu oft als reine „Fantasien“
abtun, d.h. dass die Begleitung der Sterbenden auch in dieser Zeit von
einer Sterbeamme geleistet werden kann und soll.
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Gesundheitsportal: |
Sterbende werden heute oft ausgeschlossen oder ausgegrenzt, können
Sie unseren Lesern sagen, wie man dies ändern kann, was auch die einzelne
Familie tun kann, um den Sterbenden in das Familienleben zu integrieren.
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Frau Cardinal: |
Ich möchte die Tatsache der Ausgrenzung in jedem Fall auf Trauernde
und auch auf schwer Erkrankte ausdehnen. Und diese erschütternde Tatsache
war im Wesentlichen der Hintergrund dafür, dass ich mein Buch Trauerheilung-
ein Wegbegleiter geschrieben habe. Wir stehen in beiden Situationen vor
dem unbeschreiblichen Versagen einer ganzen Gesellschaft, ganz einfach,
weil wir alle denken, wir „könnten jetzt nichts tun“. Das
jedoch stimmt in keinem Fall.
Das größte Problem bei der Frage, wie Sterbende in die einzelne
Familie integriert werden kann, ist, dass wir alle nicht gelernt haben,
Dinge, die wichtig sind, von denen zu unterscheiden, die eigentlich keine
so große Rolle spielen. Wir trauen uns nicht, ganz einfache Fragen
zu stellen, die uns auf der Zunge liegen mögen und wir alle möchten
der Tatsache der Endlichkeit eines Lebens nur ungern ins Auge sehen –
was allzu verständlich ist. Es tut so weh, den Gedanken an den Abschied
statt der Hoffnung auf Gesundheit und Weiterführen des Gewohnten
wachsen zu lassen. Und möglicherweise denken wir, es wäre besser,
einer Tatsache nicht ins Gesicht zu sehen.
Die Frage „Na, wie geht es dir heute?“ ist gemeinhin doch
eher eine Floskel und erwartet meist auch keine Beantwortung. Vielleicht
wäre es als erstes gut und heilsam für alle, wenn wir sowohl
die Frage, als auch die Antwort wieder ernst nehmen würden. Es ist
erstaunlich, wie schnell wir mehr darüber erfahren können, was
dieser betreffende Mensch dann als Unterstützung bekommen könnte.
In den meisten Fällen wird für Sterbende allein die Tatsache,
dass ihnen Nahestehende dem Abschied nicht aus dem Wege gegangen sind,
eine große Unterstützung sein. Der Sinn dessen, anwesend zu
sein, auch wenn keine großen Highlights bei diesen Besuchen oder
dieser Anwesenheit mehr ablaufen, ist auch für die Trauernden im
Nachhinein ein Trost. Sie wissen dann, dass sie vor sich selbst bestanden
haben.
Der für einen heilsamen Sterbe- und Trauerprozess notwendige Frieden
ist wahrscheinlich das Schwerste und Größte, was von Sterbenden
und Angehörigen erschaffen werden muss. Auch über den Frieden
und wie er zu erreichen ist, haben wir wenig gelernt und scheinbar findet
dieser nur in Hollywood- Filmen statt. Wann immer wir jedoch das Unmögliche
wagen und Verzeihen oder lernen um Verzeihung zu bitten, können die
tiefgehendsten und schönsten Momente des Lebens entstehen. Diesen
Schritt zu tun möchte ich allen Betroffenen ans Herz legen.
Ich vermisse in der heutigen Zeit den bis vor wenigen Jahrzehnten üblichen
Ablauf, dass Sterbende die Möglichkeit fanden zu Hause zu sterben,
ich vermisse in unserer Gesellschaft die Freunde und Bekannte, die wie
selbstverständlich bei der Pflege und dem Schmerz der Betreuenden
mit anpacken und ich vermisse sehr, dass wir weit davon entfernt sind,
Totenwachen stattfinden zu lassen. Dieser langsame Abschied gibt allen
die Möglichkeit, ganz selbstverständlich Klarheit darüber
zu bekommen, was geschieht. Und schon nach wenigen Tagen wird es allen
Anwesenden klar, dass dieser tote Mensch auf irgendeine mysteriöse
Weise nicht mehr der ist, der es einmal war.
Das alles ist für einen heilsamen Trauerprozess von großer
Bedeutung. Wie sagt Antoine de Exupery? „Man sieht nur mit dem Herzen
gut!“. Stellen Sie sich vor, wir täten das. Wir würden
auch in den Krankenzimmern eine wertvolle Begleitung stattfinden lassen.
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Gesundheitsportal: |
Wie unterstützen Sie die Trauernden?
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Frau Cardinal: |
Trauernde sind von dem Moment des Abschieds in einen neuen Alltag geworfen.
Nichts ist mehr, wie es einmal war und das, was bislang gewohnt war, nichts
wird jemals wieder so sein. Ich nenne diese Öde „Niemandsland“,
denn es handelt sich um eine Wüste, die vollkommen unbelebt zu sein
scheint.
Die Arbeit mit Trauernden nenne ich deshalb auch „Hoffnungsschimmer
im Niemandsland“. Der wichtigste Aspekt bei der Begleitung Trauernder
liegt für mich deshalb darin, dass sie eine neue Handlungsfähigkeit
erlangen, ohne dass sie dazu den Tod und den Abschied negieren oder verdrängen
müssen.
Niemand auf der ganzen Welt wird diesen verlorenen Menschen wiederbringen
und diese Tatsache ist nur schwer auszuhalten. Unabhängig davon jedoch,
was ein Mensch an Glauben in sich trägt, besteht eine Beziehung,
eine Zuneigung zu diesem Menschen. Es gibt keinen Grund, dieses Band zu
verleugnen. Und ich ermuntere alle Trauernden, fest an diesem Band zu
halten und dann mit diesem Band, mit diesem Halt ein neues Leben auf den
Trümmern wieder aufzubauen. Es wird ein anderes Leben sein, das ist
dabei klar.Gleichzeitig rege ich die Betroffenen dazu an, dass sie sich
ihre Gefühle eingestehen. Es ist durchaus so, dass es viele Gründe
dafür gibt, mit den Verstorbenen zu zürnen oder sich eigene
Versäumnisse angesichts des Sterbens einzugestehen. Und für
die Betroffenen ist es wichtig, das sie diese Empfindungen zulassen und
verwandeln lernen, da gibt es keinen Unterschied zum Streit mit dem Nachbarn
oder zum Erkennen der eigenen Fehlbarkeit. Dass dazu gehört, neu
zu lernen, zu Verzeihen oder um Verzeihung zu bitten, ist unverkennbar.
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Gesundheitsportal: |
Wie sieht eine Einzelberatung bei Ihnen aus?
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Frau Cardinal: |
Einzelberatungen können nicht schematisiert wiedergegeben werden.
Jeder Mensch, jeder Abschied, jede Trauer ist individuell, wie das Leben
selbst. In jedem Fall wird eine Anamnese durchgeführt, wie in einer
naturheilkundlichen Behandlung selbstverständlich. Das dient im Wesentlichen
dazu, dass ich eine Einschätzung der Situation bekomme. Natürlich
wird jedes weitere Vorgehen dann auch davon abhängig sein, ob es sich
um eine Beratung für schwer Erkrankte, für Sterbende, für
Nahestehende von diesen oder um Trauernde handelt.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ein wesentlicher Punkt, den ich
als Unterstützung bieten kann, der ist, dass ich selbst in ausweglosen
Situationen nach Lösungen suche. Diese Lösungen, diese neuen
Denkansätze sind es, die den Betroffenen dann ein Weiterleben ermöglichen.
In einer Einzelberatung werden diese Lösungsansätze gemeinsam
erarbeitet und von den Betroffenen in ihren Alltag integriert.
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Gesundheitsportal: |
Sie bieten auch Trauergruppen an, was wird in der Trauergruppe angeboten
und welche Ergebnisse kann der Einzelne dabei für sich erzielen?
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Frau Cardinal: : |
Die Mitarbeit in einer Trauergruppe bietet sich dann an, wenn die Trauernden
mit ihren offenen Fragen angesichts des Todes in eine Situation geraten
sind, in der sie sich mutterseelenallein in ihrer Gemeinschaft empfinden.
Dann ist der Zeitpunkt richtig, anderen Menschen zu begegnen, die ähnliche
Schmerzen, ähnliche Fragen und Zweifel in sich tragen. Manchmal ist
der Eintritt in eine Trauergruppe zu früh gewählt. Das ist dann,
wenn sich die Trauernden noch schockiert angesichts des Abschieds in dem
Erlebten bewegen und die Geschichten der anderen werden ihnen dann nur noch
mehr Elend und Schmerz aufbürden. In den von mir angebotenen Trauergruppen
stelle ich jeweils ein Thema in den Mittelpunkt, das als Trauerphase während
der Trauer auftauchen kann oder als Erweiterung der eigenen Sichtweise
dienen kann, wie z. Bsp. der Umgang mit Trauer in anderen Kulturen. Die
Gruppen finden in zweiwöchigem Abstand statt. Diese Themenzentriertheit
ist sehr sinnvoll, denn sie erlaubt uns, unsere Fähigkeit zu üben,
Lösungen zu finden. Andernfalls könnte das Problem auftauchen,
dass wir uns nur in unseren schmerzvollen Gefühlen verstricken. Das
wohl wichtigste Ergebnis ist für alle, die in einer Trauergruppe
sind, das Erkennen von „Verwandtschaft“ mit Menschen, die
ihnen vorher noch nicht begegnet sind. Ich habe in den Gruppen, die ich
geleitet habe, die große Erleichterung der Betroffenen darüber
miterlebt. Und nach diesen Gruppen sind neue soziale Kontakte zu Menschen
entstanden.
Gleichzeitig sind neue Denkansätze ein positives Ergebnis der Arbeit.
Die Betroffenen stellen fest, dass auch völlig andere Umgangsformen
und Bräuche sehr sinnvoll und machbar sein können.
Mein Ziel ist es, dass Trauernde trotz allem wieder neue Hoffnung schöpfen
können.
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Gesundheitsportal: |
Wie sehen Sie den Umgang mit Tod und Trauer in der heutigen Gesellschaft?
Welche Veränderungen sind notwendig?
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Frau Cardinal: |
Tod und Trauer gehören für mich zu den größten Tabuthemen
der Gesellschaft. Wir bewegen uns in einer Zeit, in der wissenschaftliche
Beweisbarkeit als oberste Prämisse steht. Allerdings werden wir einen
Beweis dafür, ob nach dem Tode irgendetwas stattfindet, weder beweisen
noch nicht beweisen können, so gerne wir das in den letzten Jahrtausenden
auch gewollt haben. Diese Unfassbarkeit, dass die Naturwissenschaft dem
größten und letzten Geheimnis nicht auf die Spur kommen kann,
macht den westlichen Ländern ganz erhebliche Schwierigkeiten. Dann
scheint es am Besten zu sein, so zu tun, als ob weder die Frage noch eine
Geistigkeit überhaupt existiere.
Wir stellen Spaß und Sex an erste Stelle und erst dann, wenn uns
der Tod begegnet, stellt sich unser Leben auf den Kopf.
Der Tod war in allen Gesellschaften gefürchtet und er muss mit Vorsicht
behandelt werden. Die Befürchtung, dass ein Tod neue Tode nach sich
ziehen kann, ist allen Gesellschaften und Kulturen der Erde der Menschheit
vertraut. Dass dann allerdings als Reaktion nur Sprachlosigkeit vorhanden
ist, ist eher eine Erscheinung der modernen westlichen Länder. Unsere
Bräuche sind abgedroschen und unverständlich. Die Menschen der
heutigen Zeit sind entweder durchaus religiös, jedoch nicht konfessionell
gebunden oder aber sie glauben an überhaupt nichts mehr. Alle diese
Phänomene, die ich beobachte, bringen auf ganz verständliche
Weise dann das hervor, was wir als Realität erkennen müssen:
wir haben keine tragenden Gemeinschaften mehr und gehen dabei hoffnungslos
im Universum verloren. Die Hospizbewegung der letzen Jahrzehnte zeigt
deutlich das Unbehagen und die tief sitzende Unzufriedenheit angesichts
unseres menschlichen Umgangs.
Neben dieser kaum aufzuhaltenden Strömung sehe ich gleichzeitig,
dass sich die Suche nach Antworten auf die offenen Fragen nicht abstellen
lässt. War das Thema Tod früher auf den Totenmonat November
begrenzt, ist es heute durchaus möglich, mitten im schönen Mai
offen in den Medien darüber zu sprechen Das beruhigt mich sehr, denn
ich sehe, dass sich langsam und leise etwas verändert.
Erst dann, wenn wir erkennen werden, dass die Frage nach einem möglichen
Sinn im Leben und im Sterben eine zentrale Rolle für unsere Heilung
und unsere Gesundheit spielen wird, wird es gesellschaftliche Veränderungen
geben. Wir sehen leider viel zu selten, dass der ganze schöne Spaß,
den wir veranstalten, innen leider nur hohl ist. Damit will ich eine ganze
Gesellschaft in die Pflicht nehmen, doch ich ahne, dass damit auch der
ganzen Gesellschaft die Heilung einer tiefsitzenden Wunde möglich
sein wird.
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Gesundheitsportal: |
Wir danken Ihnen herzlich für das Gespräch und wünschen
Ihnen für Ihre weitere Arbeit alles Gute und viel Erfolg.
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| siehe auch:
Artikel Zeitschrift Wachstum, Berlin 2003 „Was heißt in Würde
sterben?“
Artikel „Hebammenzeitung“, Erwin Staude- Verlag „Was
ist eine Sterbehebamme?, Plädoyer für ein neues Berufsbild“
2001
Buch Trauerheilung, ein Wegbegleiter, Patmos Verlag 2002,
ISBN 3-491-77037-8
Medien 20. Mai 2003, ZDF, Kerner Show,
23 Uhr
online www.sterbeamme.de
Zu meiner Person:
Ich arbeite als berufstätige Heilpraktikerin in Hamburg und bin Mutter
zweier erwachsener Kinder. Als ehemals ausgebildete Goldschmiedin und
junge Mutter brachte mich die Erfahrung des Todes und der Trauer nach
dem Tod einer ganzen Reihe von sehr nahen Menschen zu der Arbeit mit Sterbenden
und Trauernden. Diese Arbeit habe ich zu meinem Arbeitsschwerpunkt gemacht.
Ich bin Dozentin an verschiedenen Ausbildungsprojekten, halte Vorträge,
bilde Sterbeammen aus und bin in der Schulleitung der CURARA- Naturheilkundeschule
in Lauenburg/ Elbe. Ich unterrichte Jugendliche der Oberstufe in dem Fach
Religion/ Ethik. Mein Buch „Trauerheilung- ein Wegbegleiter“
ist im Herbst 2003 beim Patmos- Verlag erschienen.
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Bücher von Frau Cardinal (BUCHANZEIGE):
Sterbe- und Trauerbegleitung - Ein Handbuch
Lebe und lerne zu sterben
Trauerheilung - Ein Wegbegleiter
Weil wir sterblich sind
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©
Frau Claudia Cardinal, Heilpraktikerin und Sterbeamme, Brookkehre 11, 21029 Hamburg,
Telefon 040/724 24 20, www.sterbeamme.de, claudiacardinal@sterbeamme.de
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