Qi Gong bedeutet also die „Beschäftigung mit Energie“,
bei der man durch ausdauerndes Üben lernt, den Fluß und die
Verteilung des Qi in unserem Körper zu verbessern, um die Gesundheit
zu stärken und zu einer harmonischen Beziehung zwischen Körper
und Geist zu gelangen.
Qi Gong ist ein Jahrtausende altes ganzheitliches System von Selbstheilungstechniken,
das gesundheitsfördernde Körperhaltungen, Bewegung, Selbstmassage,
Atemtechniken und Meditation umfaßt. Verbrauchtes oder verschmutztes
Qi wird durch verschiedene Übungen abgegeben und frisches, heilendes
Qi aufgenommen. Dieses reine Qi wird dann im Körper gesammelt und
gespeichert. Eine früher gebräuchliche Bezeichnung für
Qi Gong „Tuna“ bedeutet „Altes ausstoßen und Neues
aufnehmen“ und verweist auf die Bedeutung der Atmung in diesem Zusammenhang.
An der Atmung wird das Prinzip des immerwährenden Wechsels von Aufnehmen
und Abgeben, von Yin und Yang am deutlichsten. Qigong-Übungen und
die dazugehörigen Atemweisen können helfen, diesen Energie-
und Gasaustausch effizienter zu gestalten.
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Qi
Gong und Osteopathie
Der Begriff „Gong“ weist auf die “Übung“
oder das „Training“ hin, weil Qi Gong nicht wie Arzneimittel
für eine begrenzte Zeit „verordnet“ wird, sondern täglich
praktiziert werden soll. Im „Gelben Kaiser“, einem Klassiker
der traditionellen chinesischen Medizin aus dem 2. Jh. v. Chr., heißt
es: „Behandelt man eine bereits manifeste Krankheit, ist das so,
als würde man einen Brunnen zu graben beginnen, wenn man durstig
ist oder man würde beginnen, Waffen zu schmieden, wenn man sich mitten
in der Schlacht befindet. Kommen diese Aktionen nicht zu spät?“
Tägliches Üben von nur 20 bis 40 Minuten fördert nicht
nur das Wohlbefinden, es dient auch der Gesunderhaltung und Krankheitsabwehr.
Jeder kann Qigong üben. Die meisten Übungen, die für das
Stehen entwickelt wurden, können auch in sitzender oder liegender
Position ausgeführt werden, so daß Qigong eine ideale Methode
auch für Kranke ist. Neben Gruppenunterricht wird Qi Gong deshalb
auch manchmal in Einzelstunden unterrichtet, weil man so besser auf die
persönlichen Bedürfnisse der Schüler eingehen und so ein
speziell an ihre Probleme angepasstes Übungsprogramm entwickeln kann.
Qigong-Übungen lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: »Übungen
in Bewegung« oder »Aktives Qigong« (donggong) und »Übungen
in Ruhe« oder »Meditatives Qigong« jinggong), die sich
nicht immer streng voneinander trennen lassen. Ruhe und Bewegung sind
relative, keine absoluten Prinzipien. Es geht darum, die richtige Balance
zu finden zwischen Yin und Yang, nicht nur im Qigong, sondern auch im
täglichen Leben.
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Der Qi-Gong-Zustand: „Xu Kong“
„Wie effizient Qi Gong ist, wird durch das Maß des Zur- Ruhe-Kommens
(rujing) bestimmt: Je größer die Ausgeglichenheit, desto größer
der Nutzen.“ (Hu Bing, Chefarzt der Pekinger Akademie für Chinesische
Medizin)
Das Üben von Qigong ist dann am wirkungsvollsten, wenn es in einem
ruhigen, gelassenen und entspannten Zustand ausgeführt wird, in dem
Körper und Geist in Einklang sind. Man spricht auch vom Zustand des
„Taiji“, in dem alle Energien in einem ausgewogenen, harmonischen
Verhältnis sind. Die Gehirnströme verlaufen in Alphawellen,
man ist emotional und körperlich ausgeglichen und ohne zerstreuende
Gedanken. Man lässt die Übung in einem achtsamen, gesammelten
Zustand eher geschehen als das man sie „macht“ – ohne
jede Anspannung und Zielgerichtetheit. Dadurch entwickelt sich nach einiger
Zeit von selbst die natürliche Atmung (shun huxi: „ungehindert
fließen, mit dem Strom schwimmen“), was einerseits die Aufnahme
von frischem Qi fördert und andererseits die Entspannung auf körperlicher
und mentaler Ebene weiter vertieft.
Man kann diesen Qi-Gong-Zustand natürlich nicht „herstellen“;
man kann ihn nur zulassen. Auch an einer Pflanze zieht man nicht, damit
sie schneller wächst. Man kann zwar für möglichst gute
Wachstumsbedingungen sorgen, muß es jedoch der Pflanze überlassen,
sich ihren Anlagen gemäß zu entwickeln. Der daoistische Ausdruck
Wu Wei, das Nicht-Tun, mit dem das absichtslose Tun gemeint ist, das nicht
auf Erfolg schielt, beschreibt die Voraussetzung für eine gute Entfaltung
jeder Qigong-Praxis.
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Qi
Gong
Fang Song Gong – Die Kunst der Entspannung
Fang: Zulassen, machen. Song: Entspannung. Gong: Beschäftigung,
Übung, Praxis
Ein zentrales Thema des Qi Gong ist der Begriff Fang Song Gong, der mit
dem Wort „Entspannung“ nur unzureichend übersetzt ist.
Normalerweise assoziieren wir mit einem entspannten Zustand einen Zustand
der Erschlaffung wie z.B. mit einer Tüte Chips vor dem Fernseher
zu liegen oder in apathisch in der Sonne zu braten. Im Gegensatz dazu
versteht man unter Fang Song Gong einen Zugewinn an Lebendigkeit, eine
gesteigerte Vitalität, bei der es sich nicht um das Loslassen aller
Spannung dreht, sondern um das Loslassen unnötiger Spannung. Äußerlich
lässt man Spannungen los, innerlich bewahrt man jedoch eine gesteigerte
Achtsamkeit (Yi), so daß der Körper immer in der Lage ist,
spontan auf Veränderungen zu reagieren.
Achtsamkeit
Ein wichtiger Aspekt dieser aktiven Entspannung ist also die nach innen,
auf den eigenen Körper und Geist gerichtete Aufmerksamkeit. Oft sind
verspannte Körperregionen gar nicht bewußt, sie sind ein blinder
Fleck im Bewußtsein: Es besteht ein direkter Zusammenhang zwischen
fehlendem Körperbewußtsein und chronischer Anspannung. Umgekehrt
hilft natürlich ein verbessertes Körperbewußtsein, Verspannungen
zu lokalisieren und loszulassen. Schon das Lenken des Aufmerksamkeit auf
einen Bereich hat einen Einfluss auf diesen und bewirkt eine Veränderung,
wie man am Beispiel der Atmung gut beobachten kann: Bewußte Atmung
verringert die Atemfrequenz, der Atem wird tiefer und ruhiger.
Leichtigkeit und Mühelosigkeit
Ziel des Qi Gong ist es nicht nur, Energie im Körper aufzubauen,
sondern auch zu verhindern, daß durch unnötige Spannung oder
Kraftanstrengung Energie verschwendet wird. An diesem Prinzip der Mühelosigkeit
orientieren sich letztlich alle Bewegungen und Körperhaltungen wie
z.B. der aufrechte und zentrierte Stand. Alle Bewegungen, die sich aus
dieser Zentrierung heraus begeben, verbrauchen unnötige Energie,
die dem Organismus an anderer Stelle fehlt und ihn schwächt. Das
Gefühl der Leichtigkeit ist das Ergebnis von bewußt ausgeführter,
koordinierter Bewegung. Im Daoismus wird hierfür oft das Bild des
Wassers verwendet „Nichts in der Welt ist weicher und schwächer
als Wasser. Und doch gibt es nichts, das wie Wasser Starres und Hartes
bezwingt. Unabänderlich strömt es nach seiner Art.“ (TaoTeKing
78). Hat man das Gefühl, gegen einen Widerstand zu arbeiten, führt
man die Bewegung schon zu angestrengt, d.h. uneffektiv aus. „Kraftanstrengung
ist das subjektive Gefühl unnötiger Bewegung.“ schreibt
Moshe Feldenkrais.
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Qi
Gong im Alltag
Sensibilität
Mit fortschreitender Übung nimmt die Sensibilität für immer
feinere Aspekte dieses Nachgebens und Loslassens zu. So gibt es im Taiji
Ch'an den Ausdruck: „So leicht, daß keine Feder auf dem Körper
liegen, keine Fliege sich abstoßen kann“, der beschreibt,
wie weit die Wahrnehmung von überflüssigem Kraftaufwand gehen
kann. Mehr Sensibilität bedeutet ein bessere Wahrnehmung eines unausgewogenen
Zustandes und beinhaltet so die Möglichkeit, spontan einen Ausgleich
wiederherzustellen, zur Natürlichkeit zurückzufinden.
Sensibilität entwickelt sich natürlich im Laufe der Zeit auch
nach außen. Unangenehme Situationen werden also auch durch Qi Gong
nicht auf wunderbare Weise angenehm, man kann aber schneller wieder seine
Mitte und Gelassenheit finden (oder diese gar nicht erst verlieren). Genauso
kann man im entspannten Zustand seine eigenen Grenzen besser wahrnehmen
und berücksichtigen. Nach einiger Zeit der Übung erlebt man
auch im Alltag seine Aktivitäten bewußter und entwickelt so
ein besseres Gespür für den Weg zu mehr Ausgeglichenheit.
Ruhe
Spontan und frei agieren zu können setzt auch eine Ruhe des Geistes
voraus, die Bereitschaft, Veränderung geschehen zu lassen ohne sie
zu bewußt herbeiführen zu wollen. „Loslassen“ bezieht
sich also auch auf das Loslassen von Emotionen, was nicht zu Verwechseln
ist mit Emotionslosigkeit. Wenn man gelernt hat, an seinen Gefühlen
nicht anzuhaften und ihnen so nicht ausgeliefert ist, kann man sie um
so intensiver erleben. Kong, die Leere meint eine ruhige und gelassene
Geisteshaltung, die nicht in Kategorien von richtig oder falsch denkt
und dem Körper (und auch dem Geist) die Gelegenheit zur Selbstregulierung
gibt, indem man nicht handelnd eingreift, sondern pure Aufmerksamkeit
ist. Auf diese Weise kann schneller ein ausgeglichener Zustand erlangt
werden, der die Ausgangsbasis ist für die Entfaltung der Selbstheilungskräfte
des Organismus. Alle Prinzipien des Qi Gong und auch des Taiji Ch'an beruhen
auf den natürlichen Gegebenheiten des menschlichen Körpers und
den organischen Bewegungsmöglichkeiten, die sich aus dem Körperbau
ableiten. Es handelt sich um Bewegungskunst, nicht um künstliche
Bewegung.
Erdung und Verwurzeln
Das mit dem Spannungsabbau einhergehende Sinken bewirkt schließlich
einen intensiveren Kontakt zum Boden, ein Gefühl der Verwurzelung.
Energie nach unten sinken zu lassen verringert unsere Kopflastigkeit,
der wir aufgrund der Konzentration von Sinnesorganen im Kopf und gleichzeitiger
Reizüberflutung unterworfen sind. Verspannte Schultern, Nackenbeschwerden,
Kopfschmerzen oder flache Atmung sind alles Zeichen für zu viel Energie,
für blockiertes Qi im Oberkörper und Kopf. Die Körperwahrnehmung
durch bewußtes Sinken nach unten zu lenken führt zu einer tieferen
und deshalb effizienteren Atmung (Dantien-, d.h. Bauchatmung) mit weitreichenden
Konsequenzen auf Durchblutung (was als Wärme spürbar wird) und
Entspannung.
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Lotusblüten
Qi Gong
Allgemeine gesundheitsfördernde und stressabbauende Aspekte
Seit den 50er Jahren werden in China und im Westen die Wirkungen von
Qi Gong und Taiji Ch’an unter den Gesichtspunkten und mit den Methoden
der westlichen Wissenschaft und Medizin untersucht. Danach sind bei regelmäßiger
Übepraxis positive Auswirkungen unter anderem bei folgenden Indikationen
festzustellen:
Ø Rücken- und Gelenkschmerzen
Ø chronische Atemwegserkrankungen (Asthma, chron. Bronchitis, etc.)
Ø Herz-Kreislauferkrankungen
Ø Durchblutungsstörungen
Ø Bluthochdruck
Ø Verdauungsprobleme
Ø Unterstützung des Immunsystems von Krebspatienten
Ø Koordinationsstörungen z.B. nach Schlaganfällen oder
Unfällen
Ø Störungen der Bewegungsmotorik
Ø Depressionen
Ø Schlafstörungen, Unruhe
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Qi
Gong nach den fünf Elementen
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